Illustration: Franziska Kuo
Illustration: Franziska Kuo

Die geplatzte Einladung

Franz arbeitete als Abteilungsleiter für einen weltweit tätigen Konzern. Nachdem die Werbeagentur mit großem Aufwand ein moderneres Erscheinungsbild mit neuem Signet gestaltet hatte und die neuen Briefbögen und Kuverts in einer edlen Heißfolientechnik bedruckt worden waren, warf die Firma Tausende von alten Briefkuverts in den Papiercontainer.
Franz beobachtete dies mit einem verständnislosen Kopfschütteln. Für ihn war das Papierverschwendung und Umweltverschmutzung.
Bevor er die Fabrik nach Feierabend verließ, ging er zum Container und stopfte sich einige hundert Kuverts in seinen Aktenkoffer, denn er wollte diese noch für seine private Post verwenden. Der Firmenaufdruck störte ihn dabei nicht.
Nach wenigen Wochen verwendete er bereits die ersten Kuverts. Er verschickte an seine Freunde Einladungen zu seiner Geburtstagsfeier.
Alle Eingeladenen erschienen zu seinem Fest, nur Ralf, sein bester Freund, nicht. Vielleicht war er beruflich unterwegs? Nichts Außergewöhnliches für einen viel beschäftigten Außendienstler. Franz wunderte sich nur, dass er nicht mal abgesagt hatte. Das war überhaupt nicht Ralfs Art.
Am späten Abend versuchte Franz noch, seinen Freund telefonisch zu erreichen, doch es meldete sich lediglich Ralfs Stimme auf dem Anrufbeantworter, die mit zuviel Hall und Echo etwas entfremdet klang: „Hier ist nur mein Anrufbeantworter. Obwohl er so heißt, kann er trotzdem Ihren Anruf nicht beantworten. Sie können mir aber unter der gleichen Nummer ein Fax schicken oder nach dem Pfeifton eine Nachricht...“
Da Franz ungern aufs Band sprach, legte er den Hörer enttäuscht wieder auf. Die Feier musste ohne Ralf, der als Stimmungskanone und Kenner von guten und vor allem vielen Witzen bekannt war, weitergehen.
Einige Gäste sprachen mit Franz über das Firmenkuvert, und er freute sich, dass er alle seine Freunde davon überzeugen konnte, dass man mit Papier nicht so verschwenderisch umgehen sollte. Die Gäste waren gut gelaunt, es war lustig, und es wurde sehr spät, bis auch der harte Kern heimkehrte.
Am nächsten Tag hatte Franz einen schrecklichen Kater. In der Firma griff er in sein Ablagefach und trug seine Post in sein Zimmer. Er hatte an diesem Tag soviel Lust zu arbeiten wie ein toter Hund zum Bellen.
Er sortierte oberflächlich die Briefe. Da fiel ihm ein bereits von der Sekretärin geöffneter Brief auf. Es war der Einladungsbrief, den er an Ralf geschickt hatte. Die Adresse war richtig. Doch beim näheren Betrachten kam ein Lächeln über seine Lippen. Er schlug sich mit der flachen Hand auf die Oberschenkel. Seine Augen tränten vor Lachen. Er stand auf und sagte laut: „Das gibt es doch nicht!“
Auf dem Kuvert haftete ein Aufkleber, und darauf stand: „Annahme verweigert. Zurück an Absender. Werbesendungen sind Papierverschwendung. Sie belasten Natur und Umwelt. Erstens bei der Papierherstellung, zweitens als Müll.“

© by Hermann Bauer