LESUNG AM 03.03.2008 IM KALEIDOSKOP IN MÜNCHEN
Kommentar von Teja Bernardy

Nach der Wahl ist vor der Wahl

Am Märzenabend eines ausklingenden Winters, der nicht endenden Herbst vorgaukelt, Mimosen verschnupft mit Erkältung und ärgerem droht, hält ein Fähnlein der sieben mal sieben Aufrechten Augen und Ohren offen, harrt geduldiger, weil weniger zahlreich, das um Bernhard Ganter gekürzte Programm nehme endlich seinen Lauf. Regie hat ein Einsehen, gönnt den Freunden, Gästen und Künstlern eine verlängerte Ouvertüre, die Robert Nehammer musikalisch routiniert gestaltet.

Doch dann ist Schluß mit Lustig, gerade weil Regina Schreiner mit ihrer Kurzbetrachtung von Klonerfolgen, als Frau wie aus dem Ei gepellt, den Männern ein ganzes Klischeepotpourri wegmanipulieren läßt, solange, bis man(n) der mit auch allerhand Genen versehenen Weiblichkeit versehentlich doch gefallen könnte. Der Irrtum wird nachfolgend mit einer Prise schwarzen Humors sofort kriminalistisch richtig gestellt, läßt “Frau“ eigene Wege zur sozialverträglichen Entsorgung ungeliebter Ehegatten finden, generiert für ein kleines Hürchen den ehrbaren Witwenstand, auch wenn es auf dem Weg zum Heiligenschein an Kopfschmerz nicht mangelt. Scheinbar drückt er doch, so ein heiliger Schein, und ausgerechnet die Scheinheiligen.

Hermann Bauer, dessen hungriger Bär nicht tanzt, welch Wunder auch (!), setzt sein Herr doch tierisch auf pflanzliche Kost, läßt den Gemüsegarten in der Abenddämmerung Schattenspiele aufführen, bis selbst dem Apfel die Puste ausgeht, mit der er das letzte Kerzenlicht löscht. Gekocht werden aber muß, mit Leidenschaft in erhitzten Töpfen für erkaltete Gefühle: Fernöstliche Weisheit und jene Hoffnung, die zuletzt stirbt. Neben dem Publikum wird die Mär unterhalten, auch Liebe verhelfe gelegentlich leidenschaftliches Köcheln zum Auflodern längst erloschener Leidenschaft, schaffe das Leiden an ihr ab.

Der Chronist selbst las aus seinem mit sehr viel mehr tierischem Ernst verfaßten neuen Werk ausgerechnet eine weniger ernste Passage.

Und Elke Deuringer? Man nehme ein bißchen Lale Anderson, gebe ihr die Klangfarbe einer Milva, mixe einen Zarah Leander-Text darunter, schließe die Augen und höre: Elke Deuringer. Da wird selbst das leise Servus zu einem Entree, zu einer Brücke vom Kasernentor der Genbank zum Gemüsegarten des hungrigen Bären, der mit jiddischen mal fröhlichen, mal besinnlichen Kinderliedern wie ein Tanzbär daherkommt, der zu tief ins Glas geschaut haben mag. Nicht weit ist es da zu Elke Deuringers selbstverfaßten, durchaus sozialkritischen Texten, als hätten die übrigen Mitwirkenden gerade diese Musik zu ihren Beiträgen bestellt.

Ist es nicht schade, wieviel Freunde, Gäste, Kollegen einen feinen Abend verpaßt haben? Selbst wer am Sonntag nicht gewählt hat, der Kaleidoskopabend vom 3. März 2008 wäre in jedem Falle die bessere Wahl gewesen!

Teja Bernardy tb-book / 04.03.2008