Illustration: Franziska Kuo
Illustration: Franziska Kuo

Osterhasen im neuen Design

Franz arbeitete als Abteilungsleiter in einer bekannten Schokoladenfabrik, die sich auf Schoko-Osterhasen spezialisiert hatte.

Nachdem die Werbeagentur mit großem Aufwand ein moderneres Erscheinungsbild mit neuem Signet gestaltet hatte und die neuen Briefbögen und Kuverts in einer edlen Heißfolientechnik bedruckt worden waren, warf die Firma Tausende von alten Briefkuverts in den Papiercontainer.

Franz beobachtete dies mit einem verständnislosen Kopfschütteln. Für ihn war dieser Vorgang Papierverschwendung und Umweltverschmutzung. Deshalb telefonierte Franz mit dem Geschäftsführer und teilte ihm mit, dass er diese Wegwerfaktion nicht gutheißen konnte.

Der Geschäftsführer lächelte und klärte Franz auf: „Unser neues Lifestyle-Osterhasen-Sortiment präsentiert sich weltoffen und modern, ausgerichtet am Puls der Zeit und am Zeitgeist. Mit einer außergewöhnlichen Kombination aus innovativen Schokohasenkreationen, flotten Sprüchen, trendigem Design und leuchtenden Farben richtet sich die neue Osterhasen- und Eier-Kollektion vor allem an trendbewusste und lifestyleorientierte Schokoladen-Fans. Durch diese kostspieligen neuen Kuverts und Briefbögen beeindruckt man den Handel, Marktbeschicker und andere Abnehmer – da erwarten wir uns Wettbewerbsvorteile! Die Heißfoliendruckfarben sind identisch mit der Alufolie, in der unsere Schokoladen-Hasen eingewickelt sind. Unser Firmenname hat die gleiche Farbe wie die Schokolade, die wir produzieren. Sie sehen also, die Werbeagentur hat sich da schon etwas gedacht.“

Bevor Franz die Fabrik nach Feierabend verließ, ging er zum Container und stopfte sich einige Hundert Kuverts in seinen Aktenkoffer, denn er wollte diese noch für seine private Post verwenden. Der Firmenaufdruck störte ihn dabei nicht.

Nach wenigen Wochen verwendete er bereits die ersten Kuverts. Er verschickte an seine Freunde Einladungen zu seiner Geburtstagsfeier.

Alle Eingeladenen erschienen zu seinem Fest, nur Ralf, sein bester Freund, nicht. Vielleicht war er beruflich unterwegs? Nichts Außergewöhnliches für einen viel beschäftigten Außendienstler.

Am späten Abend versuchte Franz noch, seinen Freund telefonisch zu erreichen, doch es meldete sich lediglich Ralfs Stimme auf dem Anrufbeantworter, die mit zuviel Hall und Echo etwas entfremdet klang: „Hier ist nur mein Anrufbeantworter. Obwohl er so heißt, kann er trotzdem Ihren Anruf nicht beantworten. Sie können mir aber unter der gleichen Nummer ein Fax schicken oder nach dem Pfeifton eine Nachricht ...“

Da Franz ungern aufs Band sprach, legte er den Hörer enttäuscht wieder auf. Die Feier musste ohne Ralf, der als Stimmungskanone bekannt war, weitergehen.

Einige Gäste sprachen mit Franz über das Firmenkuvert, und er freute sich, dass er all seine Freunde davon überzeugen konnte, dass man mit Papier nicht so verschwenderisch umgehen sollte. Die Gäste waren gut gelaunt, es war lustig, und es wurde sehr spät, bis auch der harte Kern heimkehrte.

Am nächsten Tag griff Franz in der Firma in sein Ablagefach und trug seine Post in sein Zimmer. Er sortierte oberflächlich die Briefe. Da fiel ihm ein bereits von der Sekretärin geöffneter Brief auf. Es war der Einladungsbrief, den er an Ralf geschickt hatte. Die Adresse war richtig. Doch beim näheren Betrachten kam ein Lächeln über seine Lippen. Er schlug sich mit der flachen Hand auf die Oberschenkel. Seine Augen tränten vor Lachen. Er stand auf und sagte laut: „Das gibt es doch nicht!“

Auf dem Kuvert haftete ein selbst gebastelter Aufkleber in Form eines Ostereies, und darauf stand: „Annahme verweigert. Genauso wenig wie Schoko-Osterhasen wegen Bruchgefahr für Päckchen geeignet sind, so ist auch diese Werbesendung an mich völlig ungeeignet, da ich nicht Ihre Zielgruppe bin. Werbesendungen sind Papierverschwendung. Sie belasten Natur und Umwelt. Erstens bei der Papierherstellung, zweitens als Müll.“

© by Hermann Bauer